Tag 100 (19) Pontevedra – Redondela

Um es gleich vorneweg zu nehmen, Roswitha und ich sind gut zu Fuß in Redondella angekommen.

Heute früh um kurz nach acht. Wieder ideales Wetter für unser Vorhaben. Aber wir müssen uns sputen, denn die Wetter App meint, dass es gegen 14 Uhr 26 Grad warm sein soll. Eindeutig zu warm zum Wandern mit großem Gepäck.

Das Steckenprofil zeigt uns, dass auf uns 2 Berge mit jeweils ca 180 m Auf- und Abstieg zukommen. Das heißt, in der größten Hitze geht es wenigstens bergab. Lassen wir es auf uns zukommen.

Am Quartier befindet sich ein Cafe. Heute im Angebot, Baguette mit Frischkäse und Honig. „Dos veces, por favor y dos Americanos con poca leche“ . Bestellen auf Spanisch geht schon ganz gut. Auch wenn es manchmal etwas holprig klingt. Die Bedienung kann sich’s denken, was wir wollen und wir schlürfen unseren halbstarken großen Kaffee mit Milch und dazu das Baguette mit dem für mich unüblichen Belag.

Aber gut, dass wir heute gleich frühstücken und nicht auf die nächste oder übernächste Einkehrmöglichleit damit warten. Nach rund drei Kilometer kommt uns eine Pilgerin entgegen und fragt uns ganz verzweifelt, wann das nächste Cafe kommt. Nach zwei Kilometer Aufstieg, Roswithas fast schon obligatorischem Schuhwechsel auf Sandalen und ca. 5 km Abstieg auf schmalen, teilweise mit Geröll übersäten und machmal auch morastigem Abstieg wissen wir den Grund ihres erschöpften Zustands. Bis jetzt keine einzige Einkehrmöglichleit. Zum Glück haben wir genügend Wasser dabei.

Aber jetzt, nach dem Abstieg, treffen wir zum ersten Mal auf den Atlantik. Es ist nur der Übergang vom Fluss ins Meer, aber immerhin. Und da, vor einer schön anzusehenden alten Brücke ist eine Bar. Wir ergattern noch einen freien Tisch und bestellen uns ein Cerveja Limao. Dieses erfrischende Radler mit Zitonensaft hat zwischenzeitlich unsere bisherige Kraftspritze Coca Cola verdrängt. Das mit dem Pincho hier in Galizien, einer kostenlosen Zugabe zum Getränk, ist eine angenehme Sache. Heut gab es hausgemachten Kartoffelsalat mit Fisch, Ei, und Gemüse und sicherlich weiteren uns unerschlossen gebliebenen Zutaten, dann noch Tortilla und einen in einem Kuchen gebackenen Bacelau. Das alles in kleinen Portionen zu jedem Getränk. Deshalb nehmen wir zur Feier des Tages jeder noch ein zweites Cerveja Limao. Apropos Feier, habt Ihr es bemerkt, wir sind heute den 100.sten Tag auf Tour. Wenn das kein Grund zum Feiern ist.

Wir könnten noch zwei Stunden hier sitzen und dem Treiben auf der alten Brücke zuschauen. Wir müssen weiter, geradewegs über die Brücke. Ab hier beginnt unser zweite große Aufstieg, von 0 auf eine Höhe von 180 m.

Von hier genießen wir die tolle Aussicht auf den Meeresarm und die angrenzende schöne Landschaft. Oben angekommen, geht es auch schon wieder steil bergab. Bald kommt unser Tagesziel in unser Blickfeld. Bis zum Quartier sind es aber noch vier Kilometer, die Hälfte davon auf Land und Stadtstraßen mit dichtem Verkehr. Nach einer Stunde haben wir es aber geschafft und stehen vor unserem Quartier. Es ist ein Apartement, den Schlüssel bekommen wir im nahe gelegenen Cafe. Die junge Dame, die unsere Personalien aufnimmt und uns die Schlüsselkarte übergibt, hat heute unseren Ehrenpreis „Unfreundlichster Empfang auf dem Camino“ redlich verdient. Mal sehen, ob sie zur Preisverleihung erscheint.

Strecke 18,6km

Tag 101 (20) Redondela – Tui

Portugal ist nah, wir kommen. So oder so ähnlich klingelt es heute früh in unseren Ohren. Bewusst reservierten wir gestern noch kein Quartier. Normalerweise wäre die Etappe ins rund 20 km entfernte O Poriño gegangen. Das erschien uns auf der einen Seite zu kurz, aber auf der anderen Seite sind da noch die Fußprobleme meiner lieben Frau.

Gleich nach Redondela die erste und laut Streckenprofil auf meinem Garmin auch die einzige große Steigung bis Tui spanisch/portugiesischen Grenze. Dafür geht es ganz ordentlich hoch. Auf wenigen Kilometern sind rund 200 Höhenmeter zu bewältigen. Auf kaum befahrenen Asphaltstraßen erklimmen wir diese Höhe. Der Untergrund kommt Roswitha entgegen, denn heute wählt sie von Beginn an die Sandalen. Aber Frühstück muss jetzt auch sein. Wir sind heut früh schon um kurz nach sieben gestartet, da hatten die Cafes in Redondela noch alle geschlossen. Aber hier in Mos finden wir leicht abseits des Weges eine Bar. Zum Kaffe gibt es ein Bocadillo mit Käse. Das Brot ist ganz frisch und fast noch warm. Schmeckt super.

Der Abstieg, auch wieder fast 200 m, erstreckt sich auf eine größere Strecke und ist deswegen nicht besonders steil. Auch das kommt Roswithas Blessuren entgegen. Die Reststrecke nach O Poriño führt über parallel zur Hauptstraße verlaufenden Nebenwegen. Es ist noch nicht einmal Mittag und wir sehen schon von weitem eine Werbetafel von Lidl. Tatsächlich, wir sind schon in O Poriño. Im Lidl kaufen wir noch Käse, Schinken und Äpfel. Das Brot gab es schon heute Früh bei einem Bäcker am Ortsausgang von Redondela.

Mitten im Ort finden wir eine freie Bank im Schatten einer kleinen Kirche. Hier machen wir eine ausgedehnte Rast und fassen den Entschluss jetzt auch noch die restlichen 12 km nach Tui zu gehen. Über Booking.com reservieren wir das letzte freie Zimmer in einem **Hotel mitten in Tui, kaum 100 m entfernt von der Kathedrale.

Eigentlich hätten wir noch zwei Stunden auf der Granitbank verbringen können. Aber unser Ziel ist jetzt festgelegt und los geht es entlang der Haupstraße Richtung Tui. Neben uns hält ein Autofahrer an und meint, wir würden in die falsche Richtung gehen. Wir klären ihn über unser Ziel Porto auf. Dann kommt von ihm der Ratschlag in der prallen Sonne nicht den Weg durch die Industriegebiete zu nehmen sondern nach der etwa 300 m südwärts gelegenen Tankstelle nach rechts über die Brücke zu gehen. Von dort gäbe es eine neue, wesentlich angenehmere, aber etwas längere Strecke. Wir befolgen seinen Rat, doch jetzt ist die Streckenführung mit dem Garmin nicht mehr möglich.

Und tatsächlich viele weitere Pilger kommen uns auf dieser Strecke entgegen. Die sind jetzt unser Wegweiser, denn die Deutung der Wegzeichen Richtung Santiago ist für uns „falsch Gehende“ nicht immer ganz einfach. Aber auch mehrere Pilger, die uns auf dieser neuen Strecke begegnen, werden vom Anblick entgegenkommender Pilgern verunsichert, und fragen, ob wir oder sie selbst falsch gehen. So gibt es doch immer wieder kurze interessante Gespräche.

Die Strecke selbst ist sehr schön. Anfänglich auf Asphaltwegen und dann immer mehr auf schmalen Waldwegen. Am Ende des Waldes führt der Weg ein paar hundert Meter auf einem breiten, für Wanderer angelegten Seitenstreifen entlang einer Hauptverkehrsstraße. Sehr angenehm sind die letzten zwei Kilometer auf Nebenwegen und Pfaden fast ans Hotel in der Altstadt von Tui.

Eigentlich wollen wir noch auf dem Vorplatz der Kathedrale etwas Essen gehen. Aber die dort herrschende Hektik und die lauten Gespräche halten uns davon ab. Wir besorgen uns etwas zum Trinken und zum Essen und genießen auf einer Terasse des Hotels (ohne Restaurant) einen gemütlichen und stillen Tagesausklang.

Strecke 28,7 km

Tag 102 (21) Tui – Rubiães (Agualongo)

Vielleicht sind es die vielen Anstiege, die uns heute erwarten. Auf jeden Fall läuft es bei uns heute nicht so wie gewohnt. Zuerst kommen wir nicht vom Frühstücksbuffet los. Das muss man ja nutzen, den sooft gab es das ja nicht in letzter Zeit. Dann noch die Kathedrale besichtigen und durch die Gemäuer der Altstadt schlendern. Gestern wollten wir das ja nicht, wegen des Trubels, der da herrschte.

Und dann natürlich die Überquerung des Rio Minho über die doppelstöckige Eisenbrücke. Dies ist zugleich der Moment, in dem wir mit Portugal das vierte Land unserer Fußreise betreten. Gut, dass wir jetzt unsere Uhren eine Stunde zurückstellen dürfen, sonst würden wir heute nicht einmal 15 km schaffen. Portugal liegt ja bekanntlich in einer anderen Zeitzone als Spanien.

Kaum dort angekommen, erwartet uns die imposante Festung von Valenca. Der Jakobsweg führt mitten durch die hinter den Festungsmauern liegende Altstadt. Kaum haben wir diese durchschritten, wartet noch ein Supermarkt am Stadtrand auf uns, in dem wir noch etwas Marschverpflegung besorgen.

Jetzt aber genug Zeit verplempert und mit neuem Schwung geht es hinaus aus der Stadt in Richtung Berge. Es ist sehr schwül und entsprechend diesig. Weiter entfernte Höhenzüge sind kaum zu erkennen. Hoffentlich gibt es kein Gewitter.

Das Wetter hält und es geht jetzt bergauf, und hört gar nicht mehr auf. Alle paar hundert Meter halten wir an um unseren Durst zu stillen. Bald steigen wir durch mit Geröll und Steinen übersäte Hohlwege durch Eukalyptuswälder bis auf über 300 m. Und jetzt ein Cafe, das wäre schön. Als ob unser Hilferuf gehört wurde, 200 m weiter an einer Kreuzung wartete schon eines auf uns. Wasser hatten wir schon genug, wir sind in Portugal: Ein Glas Vino verde und dazu ein pasteis de nata. Die Ruhepause auf der schattigen Terasse tut gut.

Wir müssen weiter. Vor dem Aufstieg hatten wir unser Quartier gebucht, wieder mal auf den letzten Drücker. Es war das letzte freie einigermaßen bezahlbare. Schön, es geht jetzt bergab, weniger steil. Nach abwechslungsreichen Wegen, durch kleine Weiler und immer wieder Fichten- und Eukalyptuswälder erreichen wir Rubiāes. Unser Quartier liegt aber in Agualongo, rund 4 km hinter Rubiães und einiges höher. Bevor wir uns an den letzten Anstieg für heute machen, geht es noch an eine mittelalterliche römische Brücke. Nach einer knappen Stunde Aufstieg erreichen wir das heutige Domiziel, eine Finca mit 2 kleinen Feienwohnungen.

Strecke 23,5 km

Tag 103 (22) Rubiães – Ponte de Lima

Das ist ja schon fast Urlaub. Frühstück um 8.30 Uhr portugiesischer Zeit, da ist es schon halb zehn in Spanien. Ines, unsere Gastgeberin sagt, dass sie das Brot so spät bekommt. Aber schön, dass es überhaupt ein Frühstück gibt und heute sogar mit Chouriço und Käse. Unsere Finca, in der wir die letzte Nacht verbrachten, wir waren übrigens die einzigen Gäste, liegt etwas abseits vom Dorf, dafür direkt am Caminho. Gestern Abend fuhr uns Ines mit einer Mercedes S-Klasse ins Restaurant und holte uns auch wieder ab. Zu Fuß wären es jeweils eine Stunde gewesen. Angenehmer und edler Service.

Um halb zehn gehen wir dann schließlich los. Nachdem die heutige Standardroute nach kurzem heftigem Aufstieg einen langen steinigen Abstieg beinhaltet, entschließen wir kurzfristig, diese zu umgehen. Wir wählen einen Weg über kaum befahrene Nebenstraßen, der zwar zwei bis drei Kilometern länger ist und ebenso knackige Auf- und Abstiege aufweist, aber durchgehend einen Asphaltbelag aufweist. Nach gut der Hälfte des Gesamtweges stoßen wir wieder auf den Caminho.

Auf unserer Route sehen wir die rustikale Art der Portugiesen, der Waldbrandgefahr, die es im kommenden Sommer sicherlich wieder geben wird, vorzubeugen. Sie dünnen den Baumbestand am Straßenrand aus und verbrennen die abgesägten Bäume und Sträucher vor Ort. Wenn das mal nicht nach hinten losgeht und den Waldbrand bereits im Frühjahr auslöst.

Eines hat uns auf unsere persönlichen Strecke gefehlt. Die fragenden Blicke unseres Pilgergegenverkehrs. Aber jetzt sehen wir sie ja wieder. Der Weg geht immer noch abwärts, er ist nicht mehr so steinig, mal ist er gepflastert, mal asphaltiert, und führt durch kleinere Siedlungen und Weinberge.

In einer kleinen Bar machen wir Pause und weil wir ja in der Vino Verde Region sind, nehmen wir davon ein Glas zum Bolino com Queso (Käsebrötchen). Roswitha einen weißen und zum ersten Mal probiere ich einen roten Vino Verde. Der hat es ganz schön in sich. Ein „einheimischer“ Holländer, er lebt hier seit drei Jahren mit seiner portugiesischen Frau, erklärt mir, dass dieser Wein absolut naturrein sei und von vielen Bewohnern des Ortes selbst erzeugt würde. So auch dieser, den ich nicht im Glas sondern in einer hier üblichen Porzellanschale serviert bekomme. Wir brechen auf mit zusätzlich drei Liter Wasser. Dafür und für die zwei Vino Verde, die zwei belegten Brötchen und schließlich noch einen Kaffee bezahlen wir gerade mal 6,50€. Das ist Portugal!

Der Himmel zieht zu, es kommt Wind auf und es wird merklich kälter. Die fünf Kilometer wird das Wetter hoffentlich noch halten. Und das tut es auch. Wir gehen entlang eines plätscherndes Baches und dann noch über Ortsstraßen direkt auf die historische Brücke zu, die der Stadt ihren Namen gibt. Bei Walzerklängen von Johann Strauß, die aus den Laternen der Brückenbeleuchtung schallt, überqueren wir die Lima und gelangen so direkt in die Altstadt.

Heute gönnen wir uns mal ein Hotel. Es befindet sich direkt am Fluss. Und zugleich am Caminho. Zum Abschluss des Tages werden wir uns noch ein Glas der hier in der Gegend erzeugten edlen Tropfen genehmigen.

Strecke 16,7 km, (Roswitha 19,7 km mit Weg zur Lavanderia und zurück)

Tag 104 (23) Ponte de Lima – Barcelos

Herrliches Wetter, prima Frühstücksbuffet, so lässt es sich gut starten. Noch ein Blick zurück auf die alte und die neue Brücke und weiter geht es Richtung Porto.

Durch eine schön Parkanlange entlang des Flusses verlassen wir Ponte de Lima. Diese Stadt ist einen zweiten Besuch wert. Noch gehen wir auf ebenen Straßen, die Berge im Hintergrund kommen näher. Nach rund zehn Kilometer haben wir die erste Hürde erreicht. Ein polnisches Paar fragt uns nach einer Einkehrmöglichleit. Da gab es bisher keine einzige. Doch hundert Schritte in unserer Richtung ist eine kleine Bar. Hier machen wir die erste Rast. Auch die beiden Polen wollen noch etwas Essen und schließen sich uns an.

Jetzt geht es auf schmalen Waldwegen talwärts, vorbei an Stellen, an denen es vergangenen Sommer gebrannt hatte. Die Brandflächen reichen bis an bewohntes Gebiet.

Glücklicherweise blieben die Häuser verschont.

Wir kommen durch ein Dorf mit einem Trinkwasserbrunnen. Das Wasser schmeckt gut, wir füllen unsere Wasserflaschen auf, denn der nächste Anstieg lässt nicht lange auf sich warten. Irgendwie kommen wir vom Weg ab. Das erweist sich als Glück im Unglück, denn hier ist eine kleine Churasceira. Wir kommen jetzt doch noch zu unseren Vino Verde. Gestern waren wir zu müde um nochmals auf die Gasse zu gehen.

Nach kurzem, heftigen Aufstieg über Waldwege erreichen wir Tamel. Noch eine kleine Stärkung in der Nachmittagshitze in einem Cafe und die zweite und für heute letzte Hürde ist bald überwunden. Hier gäbe es eine Pilgerherberge. Mein Garmin sagt mir, dass es noch 10 km bis Barcelos sind und die verlaufen meist bergab. Das schaffen wir noch, hoffentlich.

Die letzten Kilometer sind immer die schwersten. Auf einem neu gekennzeichneten Weg geht es in die Stadt. Geschafft, aber froh und glücklich lassen wir uns mitten in Barcelos auf einer Parkbank nieder. Gleich daneben ein Hotel. Laut Booking.com müsste noch etwas frei sein. Wir versuchen es ohne Internet und fragen nach. Treffer, es gibt für Pilger Sonderpreise und so bekommen wir ein Zimmer mit eigenem Bad wesentlich günstiger und das Frühstück ist für Pilger schon inclusive.

Strecke 34,7 km

Tag 105 (24) Barcelos – Rates

Es will gar nicht so richtig hell werden. Der Himmel ist bedeckt, unser Kaiserwetter scheint vorbei zu sein. Immerhin ist es noch trocken. Wenn es so bleibt, ideal zum Wandern.

Das Pilger-Inklusivfrühstück ist ganz ok, nur der Kaffee ist eine graue Brühe. Zum Glück gibt es in Portugal in den allermeisten Cafes einen ausgezeichneten Kaffee. Den holen wir auf der Strecke nach.

In der Stadt herrscht schon viel Betrieb. Ein riesiger Platz, auf welchem gestern noch reges Marktgeschehen herrschte ist jetzt ein ganz normaler großer Parkplatz. Da waren heute Nacht fleißige Heinzelmännchen am Werk. Der Hahn von Barcelos, das Wahrzeichen der Stadt, steht allerdings noch an seinem Platz. Der freundliche Portier von der Stadtverwaltung, den wir nach einem Stempel fragen, begleitet uns höchstpersönlich in ein anderes Gebäude, wo wir unsere Daseinsnachweise in unsere Pilgerausweise gedruckt bekommen.

Wir schreiten über eine Brücke und sind jetzt in Barcelinos, einem Stadtteil von Barcelos und bald verlassen wir den Ort. Dörflicher Charakter prägt unseren Weg. Die ersten Tropfen fallen aus den dicken Wolken. Schnell streifen wir die Regenschutzhüllen über unsere Rucksäcke und ziehen die Regenjacken an. Zu gut haben wir unseren Aufstieg nach Roncesvalles im Gedächtnis, als wir uns zu spät gegen den Regen schützten und unsere Sachen im Rucksack komplett nass wurden. Das soll uns heute nicht passieren.

Ein entgegenkommender Pilger meint, das wäre nicht notwendig, der Regen würde erst um fünf Ihr nachmittags einsetzen. Ein Paar Schritte weiter gibt es den heute früh vermissten guten Kaffee. Die Pause, die wir uns dafür gönnen, tut uns beiden gut. Zu sehr steckt uns der gestrige Tag in den Knochen?

Die Pflasterwege und -straßen nehmen auffallend zu. Das Gehen auf diesem unebenen und harten Untergrund ist heute nichts für unsere Füße. Einen anderen Weg gibt es nicht. Dann sind da noch ein paar verrückte Autofahrer die meinen, auf solchen Straßen müsste man besonders schnell und eng an den Fußgängern vorbeifahren.

Bald ist Mittagszeit und laut Wegbeschreibung soll es entlang dieser Strecke ein gutes Restaurant geben. Es ist gerade zwölf, als wir nach einer längeren Passage entlang einer viel befahrenen Landstraße, oft ohne Gehstreifen, darauf zusteuern. Das Restaurant hat zwei Gasträume und nachdem der erste ziemlich voll mit Pilgern ist, gehen wir in den zweiten. Dort sitzen ebenfalls schon drei Gäste. Höflich wie wir sind, setzen wir uns nicht einfach an einen freien Tisch sondern fragen, ob wir an einem bestimmten Tisch, an dem für drei Personen eingedeckt ist, Platz nehmen dürfen. In Portugal ist es üblich, dass man einen Tisch zugewiesen bekommt, bevor man Platz nimmt. Barsch zeigt die Bedienung auf einen Tisch am Eingang, auf dem sich nur zwei Gedecke befinden. Das war jetzt nicht gerade freundlich, wir setzen uns einfach. Später kommt eine portugiesische Frau in den Gastraum. Sie möchte sich an einen Tisch mit vier Gedecke setzen. Das geht jetzt anscheinend ohne Probleme, denn die Bedienung räumt die drei übrigen Teller einfach ab. In Portugal ist es auch nicht üblich, Personen, die sich nicht kennen, an einen Tisch zu setzen. Also bleiben die drei übrigen Stühle leer.

Das wurmt uns jetzt schon. Manchmal haben wir das Gefühl, sei es im Restaurant oder im Hotel, als Pilger nicht willkommen zu sein. Egal, es gibt jetzt eben kein Trinkgld. Selbst schuld. Oft vermissen wir auf diesem Pilgerweg die uns bekannte Freundlichkeit der Portugiesen.

Auch heute schlauchen uns die letzten Kilometer. Und immer am Ende einer Etappe scheint es nochmals eine Steigung extra zu geben. Rates ist erreicht und das Wetter hat bis auf die paar Tropfen von heute vormittag gehalten.

Hier gibt es unseres Wissens nach nur eine Pilgerherberge für 60 Personen. Pilger, die uns auf der Strecke entgegen kommen, berichten von einem schlecht belüfteten „Schnarchsaal“. Nix für uns! Der Wirt, in dessen Lokal wir schließlich gelandet sind um nach einer Alternative zu fragen, erzählt uns von einem Rural, in dem es Doppelzimmer mit Bad gibt. Wir schauen uns das an. Er will 50 Euro Nacht für ein dunkles und nicht gut riechendes Tiefparterrezimmer. Wir lehnen dankend ab und gehen zurück in die Kneipe. Dort steht „zufällig“ ein Taxi, welches auf Kundschaft lauert. Vermutlich gibt es dort des Öfteren Leute in unserer Situation.

Wenn wir jetzt von hier die 12 km auf den parallel verlaufenden Küstenweg nach Vila do Conde wechseln, kürzen wir nicht ab, sondern haben aufgrund des Angebotes bessere Chancen ein Quartier zu bekommen. Gedacht, gesagt, getan. Wir besteigen das Taxi und fahren ans Meer.

Die Suche nach einem Zimmer haben wir uns einfacher vorgestellt. Zuerst markiert uns die Dame von der Touristinfo diverse Möglichkeiten auf dem Stadtplan. Die ersten beiden sehen von außen schon etwas heruntergekommen aus. Da fragen wir gleich gar nicht. Das dritte gibt es an der eingetragenen Stelle nicht. Das vierte ist belegt. Dann weiter nach eigenen Recherchen: Wir sind leider voll belegt, heißt es in einem Hotel, aber da, 500 m weiter, da müsste noch etwas frei sein. Wir marschieren dort hin. Es ist etwas frei, können wir es besichtigen? – nein, gleich bezahlen! Kostet 60 Euro! Es stellt sich heraus, dass es sich dabei um ein kleines Zimmer mit einem Stockbett handelt. – Danke! Nein! Mittlerweile ist es fünf Uhr vorbei und es fängt jetzt tatsächlich an zu regnen. Woher wusste das der Pilger von heute vormittag?

Zurück geht es in die Stadt. Eine Möglichkeit finden wir noch. Die Adresse fischen wir bei Booking.com ab und Volltreffer. Auf den Internetpreis gibt es noch 10 % Rabatt und das Zimmer ist Spitze. Neu, groß, modern eingerichtet und absolut sauber. Vermutlich bleiben wir hier einen Tag länger in legen morgen einen Ruhetag ein.

Strecke 20,3 km

Tag 106 (25) Vila do Conde – Lavra

Ruhetag? Ist nicht! Unser Zimmer ist für heute schon reserviert und umziehen wollen wir nicht. Also genießen wir ein üppiges Frühstück, packen unsere sieben Sachen in die Rucksäcke und steuern erst mal eine Lavanderia an. Am heutigen Ziel sind wir froh, nach einer Dusche in frische Klamotten schlüpfen zu können.

Frohen Mutes, Roswitha mit mehr, ich mit weniger, verlassen wir Vila do Conde. Vorbei an einem alten Museumsschiff gehen wir Richtung Meer. Meine Motivation steigt langsam wieder an als wir die ersten Holzstege an der Küste betreten. Immer wieder kommt es zu netten, kurzen Gesprächen mit Leuten, die uns auf unsere “ falsche“ Gehrichtung hinweisen. Oft werden wir gefragt, ob denn der Küstenweg oder der Weg durch’s Land der bessere sei. Wir kennen leider nur einen, den durch’s Land.

Der heutige Weg unterscheidet sich grundsätzlich von den bisherigen. Bis gestern sind wir meist über Berg und Tal, durch Wiesen, Wald und Felder gegangen, sicherlich manchmal entlang von befahrenen Straßen und durch besiedelte Regionen. Heute geht es vorwiegend auf Holzstegen durch eine Dünenlandschaft, rechts das Meer und links lockere Besiedlung mit Häusern, denen man die rauhe Seeluft ansieht, unterbrochen von kargen steppenartigem Gelände. Im Abstand von ein bis zwei Kilometer kommen wir durch „aldeias“, so nennt man hier in Portugal die kleinen Dörfer. Dies erklärt uns die Wirtin eines typischen Lokales in dieser Region, in welchem wir beim Mittagessen sitzen. Es gibt Gemüsesuppe, Reis mit Spiegeleiern und Salat zum Einen und zum Anderen einen gegrillten Robalo (Wolfsbarsch) mit Salzkartoffeln und Gemüse. Einmal darf man raten, wer den Fisch ißt und wer die vegetarische Variante wählt.

Geschmeckt hat beides gut. Jedoch nicht nur das Essen war gut gesalzen sondern auch die Preise hier auf dem Weg am Meer. Sie sollten es nicht übertreiben.

Weiter geht es wieder über Stege bis nach Lavra. Hier gibt es, außer ein paar Privatquartieren nur noch den Campingplatz einer großen portugiesischen Campingkette. Uns wird ein kleines Mobilheim angeboten, mit 2 Betten, einer Couch, einem Kühlschrank, 2 Stühlen und einem Tisch. Waschräume und Toiletten sind etwa 30 Meter neben dem kleinen Häuschen. Kosten 16 Euro für uns beide. Da sind wir mal positiv überrascht und greifen zu.

Strecke 15,1 km

Tag 107 (26) Lavra – Porto

Nach einer kalten regnerischen Nacht im Mobilhome starten wir auf unsere vorerst letzte Etappe. Glücklicherweise hat es aufgehört zu regnen. Anfangs scheint sogar immer wieder die Sonne aus dem wolkenverhangenen Himmel. Doch es bleibt trocken. In Lavra gibt es noch ein kurzes Frühstück. Ohne weitere Pause ziehen wir die letzten Kilometer durch.

Porto ist erreicht.

Die letzten fünf Kilometer durch die Stadt auf den Gehwegen ersparen wir uns und nehmen die Metro ins Zentrum. Auf gut Glück steuern wir ein Hotel an. Eine französische Reisegruppe checkt dort gerade ein. Wir haben Glück und bekommen noch ein schönes ruhiges Doppelzimmer. Wir sind beide geschafft und lassen das geplante Abendessen sausen und genügen uns mit den Resten aus unserer Vesperbox. Morgen ist auch noch ein Tag. Übers Internet besorgen wir uns die Zugtickets nach Lissabon und fallen todmüde ins Bett.

Strecke 18,5 km

Tag 108 (1) Porto – Grijo

Wir sind wieder auf Tour. Mal sehen, wie weit wir kommen. Fatima ist unser diesmaliges Ziel. Eigentlich können wir gar nicht anders, denn dort parkt unser Auto. Keine Sorge, es steht sicher in der Tiefgarage unseres gestrigen Hotels. Das Angebot es kostenlos für ein paar Tage dort abzustellen kam von der freundlichen Dame an der Rezeption des „Anjo de Portugal“ in Fatima. Das nehmen wir natürlich gerne an.

Gegen 8.30 Uhr steigen wir ein paar Schritte vom Hotel entfernt, in den Bus von Rede Express. Er bringt uns direkt nach Porto. Leider gibt es kurz vor der Endstation einen kleinen Crash mit einem PKW. Der Schaden ist minimal, doch bis die Polizei da ist und die Sache aufnimmt vergeht fast eine Stunde.

Dafür geht es jetzt umso schneller. Ohne Wartezeit steigen wir um in die Metro und fahren bis zur Endstation in Vila Nova de Gaia. Nach einem Kaffe geht unsere Tour 2019 los.

Das Wetter spielt mit, es ist zwar stark bewölkt, aber es ist noch trocken und mit 15 Grad ideal für unser Vorhaben. Aber mit den letzten Häusern verlässt uns das ideale Wanderwetter. Es fängt an zu nieseln. Beim Einmarsch ins nächste Dorf wird es schon heftiger. Ein Cafebar ist unsere Rettung, zumindest vorübergehend. Nach einem kleinen Bier und einem Sandes (belegtes Schinken-/Käsebrötchen) geht es mit den übergestreiften Ponchos, unseren Regenschutzhüllen, wieder auf die Strecke.

Der heutige Weg führt uns meist über wenig befahrene kopfsteingepflasterte Straßen. Die An- und Abstiege sind moderat. Auch die heutige Strecke gehört mit ca. 15 km zu unseren kürzesten. Nachdem wir recht spät in Porto gestartet waren, ist das auch genug.

Die Herberge ist heute mit zwei Portugiesinen, die wie wir Richtung Süden unterwegs sind, einer Engländerin, die vom Lissabon kommend weiter nach Porto geht und uns beiden, nur gering ausgelastet. Der Höhepunkt des Tages ist sicherlich das gemeinsame Abendessen mit der Großfamilie des Herbergbetreuers und uns fünf Pilgern in einem großen Saal im Nebenhaus. Nach Suppe, Fisch mit Reis und Salat gab’s den obligatorischen süßen Nachtisch. Die sieben Euro sind gut angelegt.

Müde vom Wandern geht es gegen 10 Uhr ins Stockbett.

Strecke ca. 15 km

Tag 109 (2) Grijo – São João da Madeira

Ein Stockbett ist wohl nicht das ideale Nachtquartier für uns Rentner. Insbesondere für denjenigen, der oben schläft und in der Nacht mal raus muss, so wie ich vergangene Nacht. In kluger Voraussicht nutzen wir die Vorzüge des Internets und buchten uns ein günstiges Hotelzimmer am heutigen Etappenziel.

Einen Wecker brauchen wir heute nicht. Das wird prompt von den beiden Portugiesinen mit ihrem „speziellen Gen“ erledigt. Sowie ihre Augen geöffnet sind, so läuft auch schon ihr Mundwerk in unüberhörbarer Weise. Dann eben auch raus bzw. runter vom Bett, Morgentoilette und Rucksack packen. Frühstück fällt erst mal aus. Nach kurzer Verabschiedung bei Liz, der Engländerin, die beiden Plaudertaschen waren schon gegangen, geht es mit Sack und Pack noch zehn Minuten in die nebenan gelegene Kneipe auf einen ersten Kaffee. Kurz nach neun ist Start.

Das Wetter ist ok, bewölkter Himmel und wesentlich wärmer als noch gestern. Auch heute führen uns die blauen Pfeile hauptsächlich auf Neben- und Ortsstraßen in Richtung Fatima. Meinen Garmin vermisse ich schon. Er liegt Zuhause in Deutschland. Die App auf dem Handy kann ihn leider nicht ersetzen. Besonders vermissen wir die Info, wieweit es noch bis zum Ziel ist.

Landschaftlich bietet uns die heutige Etappe nicht viel. Der Dunst nimmt uns die Sicht auf weiter entfernte Ziele, sobald uns die Häuser mal die Aussicht erlauben. Am unangenehmsten sind die vielen Hunde in den Vorgärten, die plötzlich mit lautem Gekläffe am Gartenzaun hochspringen. Meist sind es gleich mehrere die uns erschrecken. An einem Haus zählen wir gleich sieben Stück, die einen Heidenlärm veranstalten. Aber sobald wir den Speckgürtel von Porto verlassen, hoffen wir auf mehr Landschaft, mehr Ruhe und weniger Hunde.

Übrigens Frühstück gibt es dann doch noch. Eine Bäckerei mit ein paar Tischen bietet uns eine kurze Rast. Aber das tollste, für einen Tee, einen Kaffee, einen Toast mit Butter und ein mit Schinken und Käse belegtes Brötchen bezahlen wir 1,85 €, in Worten, einen Euro und fünfundachzig Cent.

Die vielen Auf- und Abstiege haben wir vermutlich einer neuen Streckenführung zu verdanken. Meine GPX-Route führte hauptsächlich entlang von Haupverkehrsstraßen. Wir halten uns aber an die Wegzeichen. Großer Vorteil, hier gibt es hier weniger Abgase und Autolärm. Nachteil, das Auf und Ab zehrt ganz schön an der Kondition und beansprucht die Oberschenkel entsprechend. Vermutlich sind es dadurch heute etwas mehr, als die 21 km die auf der GPX-Strecke angegeben sind. Garmin, ich vermiss dich.

So erreichen wir gegen halb drei unseren Zielort. Gerade noch rechtzeitig für ein Mittagessen, das in Portugal regelmäßig bis 15 Uhr angeboten wird. Gleich neben dem Restaurant befindet sich unser Quartier, eine hübsche Pension am Hauptplatz der Kleinstadt. Die Räumlichkeiten befinden sich zwar im 3. Stock, es ist aber alles neu und Top sauber. Für 30 Euro bekommen wir mehr, als wir erwarten durften.