Tag 96 (15) Arzùa – Vilamaior

Gestern lernten wir Isabel kennen. Sie ist unterwegs mit einer Gruppe Portugiesen. Erkennbar an der portugiesischen Flagge, am Rucksack befestigt. Isabel spricht perfekt Deutsch, sie verkauft in Porto und Lissabon Hymer Wohnmobile. Zufall? Auf jeden Fall tauschten wir Telefonnummern aus.

Los geht’s heute in der Früh kurz nach acht Uhr. Kaffee lehnen wir dankend ab. Er sieht aus, als wäre er schon ein paar Mal aufgewärmt worden. Die Übernachtung war ok. Na ja, bei der Sauberkeit muss man meistens beide Augen zudrücken.

Ungefähr zwanzig Kilometer gehen wir mit sehr vielen Pilgern gemeinsam. Die Vegetation wir schon mediteraner. Santiago ist nicht mehr weit.

Jetzt erreichen wir Pedruzo. Ein Großteil der Leute, mit denen wir heute bis hierher gegangen sind, übernachten hier. Wir selbst machen eine kurze Pause in einem Cafe, wollen aber weiter, so nah wie möglich an Santiago ran. Hier merken wir, wie uns ein Paar – nicht Spanisch aussehend – beobachtet. Irgendwie unangenehm. Das kommt uns doch etwas „spanisch“ vor!!! Also bezahlen und los auf den Camino. Es geht viele, viele Kilometer durch Eukalyptuswälder und: wir sind auf einmal ganz allein. Kein anderer Pilger weit und breit. Ein komische Gefühl begleitet uns, mich mehr, Wolfgang weniger. Der Schritt wird schneller, obwohl es manchmal ganz schön bergauf geht. Wir wären beruhigter, wenn wir, wie die Tage zuvor im „Tross“ unterwegs sein könnten. So schnell ändert mann/frau die Meinung – Frau mehr, Mann weniger.

Gegen 17 Uhr erreichen wir Vilamaior. Santiago liegt in greifbarer Nähe. Wir wollen morgen zeitig los, damit wir mit dem – hoffentlich – Sonnenaufgang Santiago de Compostela erreichen. Dann liegen um die 400 km hinter uns, die wir in 16 Tagen bewältigt haben.

Strecke 29,8 km

Tag 97 (16) Vilamaior – Santiago de Compostela – Miladoiro

Ist es Zufall oder ist es Schicksal? Auf dem Camino gibt es beides. Auf unseren bisherigen 2600 km haben wir schon viel erlebt, aber was am heutigen Tag geschah, ist wohl beides zugleich.

Auch der Camino portugues, auf dem wir seit Santiago gehen, ist sehr frequentiert. Die Quartiere sind auch hier ziemlich ausgebucht, so finden wir wieder einmal ein Quartier abseits des Weges. Im sonnigen Gastgarten versuche ich gerade den heutigen Tag in Worte zu fassen, da kommen zwei Damen dazu. Ich frage sie auf Englisch , ob sie auch auf dem Camino sind. „Yes, we are“. Sie fragen zurück “ Where do you come from?“ „Germany“ ist meine Antwort. “ Dann können wir uns auch auf Deutsch unterhalten“. Wir wechseln ein paar Worte und es stellt sich heraus, dass Sie aus Ravensburg kommen. Ich sag noch, das wir lange in Schmalegg wohnten. Die blonde Dame schaut mich an und sagt “ Herr Zidorn“. Ich bin baff. Es ist unsere langjährige Nachbarin Ellen Kriks. Ihre Freundin ist Hanna Fitschen. Roswitha kommt jetzt auch dazu, auch ihr fehlen die Worte, aber sie erkennt beide auf Anhieb.

Seit vielen Jahren haben wir uns nicht mehr gesehen und jetzt treffen wir uns hier in Miladoiro. Mit einem Glas Wein stoßen wir auf diesen wunderbaren Zufall an. Es gibt vieles zu erzählen.

Jetzt aber von vorne:

Wir starten recht früh in Vilamaior. Gegenüber den Vortagen geht es auf dem Weg recht ruhig zu. Schon von Weitem, vom Monte do Gozo, erkennt man die Kathedrale von Santiago. Dann die Stadtgrenze, es kommen langsam Emotionen hoch, viele Stationen des Weges gehen einem durch den Kopf und ein gewisser Stolz auf das Geleistete kommt auf, das Zwischenziel ist erreicht.

Jetzt noch ein paar Kilometer durch die Stadt, dann stehen wir vor der Kathedrale.

Für die allermeisten endet hier der Weg, doch unserer geht weiter. Vorher verweilen wir noch etwas in der Kirche und gehen dann ins Pilgeroffice um die Compostela abzuholen. Doch daraus wird heute nichts. Mindestens 200 Leute warten schon und nach eine halbe Stunde später stehen wir immer noch an der selben Stelle. Wenn es so weitergeht, sind wir vielleicht in 2-3 Stunden dran. So lange wollen wir nicht warten, denn wir haben heute noch etwas vor. Wir verabschieden uns noch von Sylvia, unserer Holländerin, die ziemlich weit vorne in der Schlange steht und verlassen das Pilgerbüro. Die Urkunde bekommen wir sicherlich auch dann, wenn wir das nächste Mal mit dem Auto hierher kommen. Schon vorher hatten wir besprochen, den Weg nochmals abzufahren, und die zu kurz gekommenen Höhepunkte richtig zu genießen.

Noch vor Mittag brechen wir auf Richtung Süden, auf dem Caminho Portugues. Nach der Stadtgrenze, auf den Wanderwegen angekommen, fragt uns so manch verdutzter Pilger ob jetzt er oder wir in die falsche Richtung gehen. Meist lösen wir das Missverständnis mit einem kurzen „O Porto“ auf, was dann in der Langform heißen soll „Wir gehen in Richtung Porto“. Rund zwei Stunden später erreichen wir unser Tagesziel Miladoiro, die letzten Kilometer mit Handynavigation, denn wie eingangs erklärt, liegt unser heutiges Quartier abseits des markierten Weges.

Strecke 17,8 km

Tag 98 (17) Miladoiro – Caldas de Reis

Roswitha hat mal wider eine schmerzvolle Nacht hinter sich. Kaum ist die eine Blase verheilt, schon tut sich eine neue auf. Und die gestrige war besonders groß. Obwohl mit erprobter Technik versorgt, scheint es diesmal nicht so schnell zu heilen. Die ganze Verse ist gerötet und heiß. Ob das wohl heute gut geht?

Gemeinsam mit Ellen und Hanna sitzen wir am reich gedeckten Frühstückstisch. So langsam realisieren wir es, dass wir gestern nicht geträumt hatten. Nach einer guten halben Stunde und kurzer herzlicher Verabschiedung geht es weiter, die beiden Ravensburgerinnen nach Norden, wir nach Süden. Der vor uns liegende Weg ist recht lang. Nachdem sich die Quartiersituation immer noch nicht beruhigt hat, bestellten wir gestern wieder vor. In der Hoffnung, dass Roswitha problemlos gehen kann, wählten wir ein Quartier in Caldas de Reis. Die Alternative wäre gewesen in Patron zu buchen, aber das liegt nur 16 km nach Miladoiro. Diese Strecke war uns einfach zu kurz.

Wir gehen dennoch recht flott unseren heutigen Weg an immer entgegen dem Pilgerstrom und stellen fest, dass wir mit dem erreichten Zwischenziel im Rücken, mittlerweile leicht und locker unterwegs sind. Doch nach rund 10 km, dem ersten Drittel unseres heutigen Planes, wurden die Schmerzen an der Ferse größer. In einem Cafe machen wir Pause, Roswitha wechselt die Trackingschuhe gegen Wandersandalen aus. Der Erfolg hält sich in Grenzen und bald müssen wir erkennen dass wir heute zum allerersten Mal für einen Teil der Strecke auf den Bus angewiesen sind. Der besteigen wir am späteren Nachmittag nach 17 km Fußmarsch in Patron. In knapp 20 min erreichen wir unser Ziel. Das Quartier liegt unweit der Bushaltestelĺe. Unser Abendessen besorgen wir uns im Supermarkt und gegessen wird heute im Zimmer. Mal sehen ob wir morgen eine Pause einlegen müssen.

Strecke 32,0 km (davon 17 km zu Fuß, Rest mit dem Bus)

Tag 99 (18) Caldas de Reis – Pontevedra

Ich bin stolz auf meine Frau. Sie hat gekämpft und durchgehalten. Super!

Wolkenloser Himmel und ca. 12 Grad. Soviel zur Wettersituation heute früh in Caldas de Reis. Ein Ort mit Potential. Es gibt Thermalquellen und auch Bäder. Aber all diese Einrichtungen, Hotels und im Prinzip die ganze Stadt erscheint uns ziemlich heruntergekommen. Überall Schmutz und lauter Verkehrslärm.

Wir gehen gerne, zum Einen wegen der idealen Wanderverhältnisse und zum Anderen, weil es hier nicht schön ist.

Roswitha versucht es trotz lädierter Ferse mit den Trekkingschuhen. Nach 5 km wechselt sie wieder auf die Wandersandalen. Zum Glück scheint heute die Sonne und die Wege sind nicht morastig. Auf Schotter- und Asphalt, so geht es durch kleine Ortschafte und Weinfelder. Das geht auch mit Sandalen.

Auf halber Strecke, zugleich der höchste Punkt für heute, finden wir ein Buswartehäuschen mit Sitzbank. Ideal für eine Pause. Eine Banane, ein Apfel und ein Stück Schokolade, das ist heute unser Mittagessen. Cafes und tiendas (Gemischtwarenläden) gibt es auf dem Caminho Portugues recht wenige, anders als auf dem Camino Francais. Auf diesen erten 12 km kein einziger. Für die nächste Etappe wissen wir’s.

Die zweite Hälfte unseres Weges führt uns fast durchweg bergab durch einen ausgedehnten Wald. Zug- und Straßenverkehr ist permanent zu hören. Nicht laut, es stört kaum. Aber auch heute kommen uns viele Leute entgegen. Darunter sind auch größeren Gruppen. Ihrem Gepäck und ihrem Auftreten nach zu urteilen, handelt es sich vermutlich um spanische Wochenendwanderer. Und immer wieder der Hinweis, nach Santiago geht es in die andere Richtung.

Pontevedra ist schon von Weitem zu sehen. Aber es zieht sich und zieht sich. Die letzten drei Kilometer geht’s durch Ortschaften und manchmal entlang der Haupstraße ohne Randstreifen. Manchmal wird es ganz schön eng. Doch dann geht es über den Rio Lérez direkt in die Altstadt. Ein Restaurant wirbt mit Paulaner Weißbier. Das ist die Belohnung für den heutigen Tag. Zudem gibt es ein spezielles Samstagsmenü. War auch gut. Gestärkt gehen wir durch die Gassen der Altstadt, machen noch einige Besorgungen und beziehen schließlich gegen fünf unser Quartier am Stadrand Richtung Portugal.

Jetzt ein Fußbad und dann Schonung für Roswitha, ich kämpf mit dem Blog.

Strecke 23,9 km ( ab jetzt wieder zu Fuß)

Tag 100 (19) Pontevedra – Redondela

Um es gleich vorneweg zu nehmen, Roswitha und ich sind gut zu Fuß in Redondella angekommen.

Heute früh um kurz nach acht. Wieder ideales Wetter für unser Vorhaben. Aber wir müssen uns sputen, denn die Wetter App meint, dass es gegen 14 Uhr 26 Grad warm sein soll. Eindeutig zu warm zum Wandern mit großem Gepäck.

Das Steckenprofil zeigt uns, dass auf uns 2 Berge mit jeweils ca 180 m Auf- und Abstieg zukommen. Das heißt, in der größten Hitze geht es wenigstens bergab. Lassen wir es auf uns zukommen.

Am Quartier befindet sich ein Cafe. Heute im Angebot, Baguette mit Frischkäse und Honig. „Dos veces, por favor y dos Americanos con poca leche“ . Bestellen auf Spanisch geht schon ganz gut. Auch wenn es manchmal etwas holprig klingt. Die Bedienung kann sich’s denken, was wir wollen und wir schlürfen unseren halbstarken großen Kaffee mit Milch und dazu das Baguette mit dem für mich unüblichen Belag.

Aber gut, dass wir heute gleich frühstücken und nicht auf die nächste oder übernächste Einkehrmöglichleit damit warten. Nach rund drei Kilometer kommt uns eine Pilgerin entgegen und fragt uns ganz verzweifelt, wann das nächste Cafe kommt. Nach zwei Kilometer Aufstieg, Roswithas fast schon obligatorischem Schuhwechsel auf Sandalen und ca. 5 km Abstieg auf schmalen, teilweise mit Geröll übersäten und machmal auch morastigem Abstieg wissen wir den Grund ihres erschöpften Zustands. Bis jetzt keine einzige Einkehrmöglichleit. Zum Glück haben wir genügend Wasser dabei.

Aber jetzt, nach dem Abstieg, treffen wir zum ersten Mal auf den Atlantik. Es ist nur der Übergang vom Fluss ins Meer, aber immerhin. Und da, vor einer schön anzusehenden alten Brücke ist eine Bar. Wir ergattern noch einen freien Tisch und bestellen uns ein Cerveja Limao. Dieses erfrischende Radler mit Zitonensaft hat zwischenzeitlich unsere bisherige Kraftspritze Coca Cola verdrängt. Das mit dem Pincho hier in Galizien, einer kostenlosen Zugabe zum Getränk, ist eine angenehme Sache. Heut gab es hausgemachten Kartoffelsalat mit Fisch, Ei, und Gemüse und sicherlich weiteren uns unerschlossen gebliebenen Zutaten, dann noch Tortilla und einen in einem Kuchen gebackenen Bacelau. Das alles in kleinen Portionen zu jedem Getränk. Deshalb nehmen wir zur Feier des Tages jeder noch ein zweites Cerveja Limao. Apropos Feier, habt Ihr es bemerkt, wir sind heute den 100.sten Tag auf Tour. Wenn das kein Grund zum Feiern ist.

Wir könnten noch zwei Stunden hier sitzen und dem Treiben auf der alten Brücke zuschauen. Wir müssen weiter, geradewegs über die Brücke. Ab hier beginnt unser zweite große Aufstieg, von 0 auf eine Höhe von 180 m.

Von hier genießen wir die tolle Aussicht auf den Meeresarm und die angrenzende schöne Landschaft. Oben angekommen, geht es auch schon wieder steil bergab. Bald kommt unser Tagesziel in unser Blickfeld. Bis zum Quartier sind es aber noch vier Kilometer, die Hälfte davon auf Land und Stadtstraßen mit dichtem Verkehr. Nach einer Stunde haben wir es aber geschafft und stehen vor unserem Quartier. Es ist ein Apartement, den Schlüssel bekommen wir im nahe gelegenen Cafe. Die junge Dame, die unsere Personalien aufnimmt und uns die Schlüsselkarte übergibt, hat heute unseren Ehrenpreis „Unfreundlichster Empfang auf dem Camino“ redlich verdient. Mal sehen, ob sie zur Preisverleihung erscheint.

Strecke 18,6km

Tag 102 (21) Tui – Rubiães (Agualongo)

Vielleicht sind es die vielen Anstiege, die uns heute erwarten. Auf jeden Fall läuft es bei uns heute nicht so wie gewohnt. Zuerst kommen wir nicht vom Frühstücksbuffet los. Das muss man ja nutzen, den sooft gab es das ja nicht in letzter Zeit. Dann noch die Kathedrale besichtigen und durch die Gemäuer der Altstadt schlendern. Gestern wollten wir das ja nicht, wegen des Trubels, der da herrschte.

Und dann natürlich die Überquerung des Rio Minho über die doppelstöckige Eisenbrücke. Dies ist zugleich der Moment, in dem wir mit Portugal das vierte Land unserer Fußreise betreten. Gut, dass wir jetzt unsere Uhren eine Stunde zurückstellen dürfen, sonst würden wir heute nicht einmal 15 km schaffen. Portugal liegt ja bekanntlich in einer anderen Zeitzone als Spanien.

Kaum dort angekommen, erwartet uns die imposante Festung von Valenca. Der Jakobsweg führt mitten durch die hinter den Festungsmauern liegende Altstadt. Kaum haben wir diese durchschritten, wartet noch ein Supermarkt am Stadtrand auf uns, in dem wir noch etwas Marschverpflegung besorgen.

Jetzt aber genug Zeit verplempert und mit neuem Schwung geht es hinaus aus der Stadt in Richtung Berge. Es ist sehr schwül und entsprechend diesig. Weiter entfernte Höhenzüge sind kaum zu erkennen. Hoffentlich gibt es kein Gewitter.

Das Wetter hält und es geht jetzt bergauf, und hört gar nicht mehr auf. Alle paar hundert Meter halten wir an um unseren Durst zu stillen. Bald steigen wir durch mit Geröll und Steinen übersäte Hohlwege durch Eukalyptuswälder bis auf über 300 m. Und jetzt ein Cafe, das wäre schön. Als ob unser Hilferuf gehört wurde, 200 m weiter an einer Kreuzung wartete schon eines auf uns. Wasser hatten wir schon genug, wir sind in Portugal: Ein Glas Vino verde und dazu ein pasteis de nata. Die Ruhepause auf der schattigen Terasse tut gut.

Wir müssen weiter. Vor dem Aufstieg hatten wir unser Quartier gebucht, wieder mal auf den letzten Drücker. Es war das letzte freie einigermaßen bezahlbare. Schön, es geht jetzt bergab, weniger steil. Nach abwechslungsreichen Wegen, durch kleine Weiler und immer wieder Fichten- und Eukalyptuswälder erreichen wir Rubiāes. Unser Quartier liegt aber in Agualongo, rund 4 km hinter Rubiães und einiges höher. Bevor wir uns an den letzten Anstieg für heute machen, geht es noch an eine mittelalterliche römische Brücke. Nach einer knappen Stunde Aufstieg erreichen wir das heutige Domiziel, eine Finca mit 2 kleinen Feienwohnungen.

Strecke 23,5 km