Tag 80 (21) Castrojeriz – Frómista

Wird das schöne Wetter nochmals halten? Fast – könnte man sagen. Wolken liegen über dem Land als wir gegen halb neun aus Castrojeriz hinausziehen. Aber es ist trocken und kühl. Gerade richtig, den Tafelberg, so wird er zumindest in unserem Führer genannt, anzugehen. Auf kurzem Weg sind rund 100 Höhenmeter zu überwinden. Das fordert viel Energie und treibt den Schweiß auf die Stirn. 

Kaum oben angekommen, geht es auch schon wieder runter. Es sind zwar weniger Höhenmeter,  dafür aber ist der Weg umso steiler. Nach insgesamt 10 km gibt es die Möglichkeit in Itero de la Vega etwas einzukaufen bzw. noch einen Courtado, einen kleinen Kaffee mit Milch und Zucker, zu sich zu nehmen und den einen oder anderen Happen zu essen. Als wir unsere Pause beenden, gesellen wir uns zu der Gruppe, mit der wir vorgestern Abend in der Herberge in Hornillos gemeinsam aßen. So wurde der etwas eintönige Feldweg bis  Boadilla del Camino, das nächste etwa 10 km entfernte Dorf, nicht gar zu langweilig. 

Dort trennen sich aber unsere Wege, es fängt jetzt doch noch an zu regnen. Die Gruppe sucht Schutz😂 in einer Bar, wir vier sind gut gegen Regen gerüstet und gehen die letzten sechs Kilometer entlang des Canal de Castilla bei leichtem Regen nach Frómista. Der Ende des 18. Anfang 19. Jahunderts gebaute Kanal diente als Wasserstraße, Antrieb für Getreidemühlen und als Hauptbewässerungsader Kastiliens. Er is heute noch in Betrieb, allerdings nicht mehr  schiffbar.

Strecke 25,8 km

Tag 81 (22) Frómista – Carrión

Nach unserem gemeinsamen Abendessen verabschieden wir uns von Liz und Moritz. Die Wetteraussichten sind schlecht und Roswitha und ich sind fast schon überzeugt, dass Frómista die Endstation unseres diesjährigen Jakobsweges ist. Die 20 km zur Bushaltestelle werden wir dann wohl mit dem Taxi zurücklegen.

Heute Morgen jedoch, welch Wunder, es regnet nicht. Kurzentschlossen disponieren wir um und nehmen anstelle des Taxis unsere Beine. Anfangs gibt es einige leichte Schauer und wir gehen den Weg entlang der Hauptstraße im Poncho. Dieser schützt uns auch gegen den recht kalten und böigen Gegenwind.

Die Sicht ist klar, der Weg geht geradeaus in leicht welligem Gelände. Das muss aber nicht unbedingt ein Vorteil sein. Kaum haben wir eine Anhöhe erreicht, schon sehen wir das nächste Dorf. Leider scheint es aber, dass es nicht näher kommt. So kämpfen wir eben gegen den Wind und hoffen auf ein Dorf mit Einkehrmöglichkeit. Sechs Kilometer vor unserem Ziel ist es soweit. Wen treffen wir da – Moritz beim Mittagessen. Nach kurzer Pause geht es weiter, jetzt wieder zu dritt.

Nun ist es soweit. Wir laufen in Carrión de los Codes ein. Und da treffen wir auch nochmals auf Liz. Um 17.30 fährt unser Bus nach Bilbao. Das war es dann für dieses Jahr?
Allen Pilgern auf dem Weg nach Santiago und besonders Liz, Moritz, Ute und Ingrid wünschen wir

Strecke 19,6 km

Tag 82 (1) Carrión de Los Condes – Calzadilla de la Cueza

Wir sind wieder auf Tour. Gestern mit dem Flieger von Stuttgart nach Bilbao und heute früh mit dem Bus in knapp 4 Stunden zum Ausgangspunkt nach Carrion de los Condes. Ohne Aufenthalt geht’s um die Mittagszeit gleich zu Fuß weiter Richtung Westen. Als wir vergangenes Jahr hier ankamen war es kalt und es fing damals gerade an zu schneien. Heute ist ideales Pilgerwetter, blauer Himmel, etwas Wind und 15° warm.

Für den ersten Tag wollen wir es etwas langsamer angehen. Doch die nächste Übernachtungsmöglichkeit ist erst nach 18 km. Also doch wieder mit etwas mehr Gas. Die Strecke is nicht grade abwechslungsreich. Alles ziemlich eben und lange Geradeausstrecken.

Es scheint, als ob wir alleine auf dem Weg sind. Ok, wir sind spät dran. Nach ca. 2 Sunden sehen wir dann doch die ersten Pilger vor uns. Nachdem wir mit schnellen Schritten die ersten beiden überholen, werden es doch immer mehr in unserem Blickfeld. Wir sind also doch auf dem richtigen Weg.

Kurz vor vier erreichen wir unser heutiges Etappenziel, Calzadilla de la Cueza. Jetzt noch das Quartier wählen. Alberge municipal für 10 Euro für uns zwei im Gemeinschaftsschlafraum oder doch das Hostal mit Doppelzimmer und Bad für 40 Euro? Die Wahl fällt dann doch auf letztere Möglichkeit.

Da lässt sich auch die Körperpflege etwas angenehmer durchführen. Gerade ist Roswitha dabei meine Blasen an der rechten Ferse zu verarzten. Da hatte ich anscheinend doch zu wenig trainiert 😀.

Stecke 17,7 km

Tag 83 (2) Calzadilla de la Cueza – Sahagun

Vermutlich wäre die Alberge municipal doch die bessere Wahl gewesen. Zumindest was die Nachtruhe angeht. Die spanische Thekenkommunikation war bis ins Zimmer deutlich zu hören. Wäre unser Spanisch besser, hätten wir wohl alles verstanden. Und das Abendessen war auch nicht gerade der Hit. Der Wirt muss sich ja auch nicht groß anstrengen. Er besitzt das einzige Restaurant am Ort und die Gäste kommen vermutlich auch nur einmal. Aber was soll’s, Haken drunter und fertig.

In der Früh starten wir nur mit einem „courto“, einem Espresso mit einem Schuss warmer Milch. Das Frühstück gib es dann 5 km weiter im nächsten Ort.

Der heutige Weg unterscheidet sich nur unwesentlich zum gestrigen. Vielleicht etwas hügeliger, aber vor Allem sind jetzt zur frühen Tageszeit mehr Pilger unterwegs. Und die Welt ist klein. Es stellt sich heraus, dass die österreichische Gruppe, auf die wir schon gestern im Hostel gestoßen sind, aus Judenburg kommt, der Nachbarstadt von Roswithas Geburtsort.

Der Blick in die Meseta ist schon beeindruckend. Zum Glück ist jetzt April und schon die heutigen 24° treiben uns die Schweißperlen auf die Stirn. Es gibt kaum Schatten hier. Kein Wunder, wenn Leute, die hier im Sommer gegangen sind, von tranceähnlichen Zuständen erzählen. Aber vielleicht erleben wir das morgen. Da steht die Hauptstrecke der Meseta auf unserem Plan.

Noch kurz vor Sahagun, es ist noch nicht einmal halb drei, sind wir der Überzeugung, dass wir dort erst mal eine Pause machen werden und dann noch ein paar Kilometer dranhängen. Aber in Sahagun angekommen melden sich unsere Beine mit dem Hinweis, dass es eigenlich reicht. Auch gut, einverstanden. Ein ruhiges Hostel ohne öffentliche Gastronomie ist gleich gefunden.

Jetzt erst mal Wäsche waschen und zum Tocknen in die Sonne hängen. Wer weiß, ob wir morgen auch die Chance dazu haben? Nach einer erfrischenden Dusche geht es ins Städchen, die Wegzehrung für morgen besorgen. In den Bars hier gibt es zu jedem Getränk ein kostenloses Tapa dazu. Also werden es 2 Gläschen Wein bzw. Bier. Und nachdem wir schon in der Mittagspause gut gegessen hatten, lassen wir heute das obligatorisch Pilgermenü ausfallen.

Strecke 21,0 km

Tag 84 (3) Sahagun – Reliegos

Wenn man auf ein Ziel zugeht, ist es äußerst wichtig, auf den Weg zu achten. Denn der Weg lehrt uns am besten, ans Ziel zu gelangen, und er bereichert uns, während wir ihn zurücklegen.
– Paulo Coelho, Auf dem Jakobsweg

Die berüchtigte Meseta. Rund 30 km von Sahagun bis Reliegos. Wir starten gegen 8 Uhr. Es gibt zwar mehrere Bäckereien im Ort, die öffnen allerdings erst um 9 Uhr. Aber es gibt ja unterwegs die Möglichkeit, unsere Verpflegungsbox zu ergänzen. Brot gibt es in einer Bar im 10 km entfernten Calzada de Coto. Dort gibt es noch einen guten Kaffee und eine leckere Tortilla. Wasser haben wir noch. Das müsste reichen bis ins 8 km entfernte Calzadila de los Hermanillos. Aber irgendwie verfehlen wir den dortigen Supermarkt. Und umdrehen und suchen? Nein danke. Zwei Liter müssten eigentlich genügen. Aber es wird wärmer und wärmer und bis zum Ziel sind es noch 12 km.

Der Weg ist wirklich eintönig. Ein schmaler Weg entlang einer wenig befahrenen Staße rechts und alle 5 m ein Baum auf der linken Seite. Ein wenig werden wir entschädigt durch das Pyrenäenpanorama mit schneebedeckten Bergen im Hintergrund.

Die letzten 12 km scheinen nicht enden zu wollen. Der Rucksack wird schwerer und schwerer. Und unser Wasser geht auch langsam zur Neige. Dann die ersten Häuser von Reliegos. Zum Glück ist das erste Haus gleich ein Restaurant. Eine kalte Cola zischt in der Kehle. Ein Hostel finden wir auch gleich. Eine Dusche weckt unsere Lebensgeister. Morgen sind es noch 25 km bis León. Vielleicht legen wir dort einen Tag Pause ein. Mal sehen…

Strecke 32,0 km

Tag 85 (4) Reliegos – León

Anscheinend geht es ja doch, früh aufzustehen. Bereits um 7.30 Uhr stehen wir vor unserer Herberge. Hintergrund: Wir wollten die ersten im gemeinsamen Etagenbad sein. Es hat funktioniert. Zumindest hatten wir ein genügend großes Zeitfenster, unsere Morgentoilette zu absolvieren. Im Ort herrscht allerdings schon reger Pilgerverkehr. Vielleicht aus demselben Grund?😁

Nach dem ersten Kilometer überholt uns eine Mitpilgerin, die auch in unserer Herberge übernachtete. Mit unseren Blasen an den Füßen können wir da nicht mithalten, wollen wir auch gar nicht. Jeder hat seinen eigenen Schritt.

Nach rund 5 km kommen wir ins erste Dorf. Eigentlich wollen wir eine Frühstückspause mit Tortilla und Eiern mit Speck einlegen. Aber es gibt nur Süßes. Verschieben wir es eben. Auch der Lebensmittelladen hat um neun noch geschlossen. Zapfen wir halt das Trinkwasser aus dem Brunnen Hauptplatz. Normalerweise sind wir eher vorsichtig aber es steht ausdrücklich dran „Agua potable“. Schmecken tut es sehr gut.

Weiter Richtung León, entlang einer stark befahrenen Straße. Der Lärm stört erheblich. Da überholt uns die Pilgerin schon wieder. Sie begnügte sich wohl mit dem gezuckerten Croissant und einem Kaffee. Aber bald kommen auch wir zu unserem Frühstück. Eier mit Bacon, sehr gut, die Tortilla weniger gut. Zumindest hat sie keine Chance zu der von gestern. Das Aufstehen fällt schwer, die blasengeschädigten Füße schmerzen. Wäre jetzt ein Bus nach León gekommen, ich denke,wir hätten ihn genommen.

Noch rund 12 km bis zum heutigen Ziel. Die Landschaft verändert sich – endlich.

Das bedeutet aber auch, dass es anstrengender wird. Aber das ist wesentlich angenehmer als der monotone Geradeauslauf der vergangenen Tage. Die Besiedlung wird dichter, es geht Richtung Stadt. Noch ein Blick zurück auf die Meseta. Wir werden sie nicht vermissen.

Und der Blick nach vorne. Das Ziel ist nah. Aber ein paar Kilometer sind es doch noch, zumal der offizielle Weg gesperrt ist, aus welchem Grund auch immer, und wir eine Umleitung gehen müssen.

In der Stadt angekommen, treffen wir in einer Kneipe auf schon bekannte Gesichter. Zu Essen gibt es auch etwas und wir nehmen uns die Zeit, eine gute Bleibe für zwei Nächte auszusuchen. Ja zwei, ihr lest richtig, wir wollen einen Ruhetag einlegen und unseren Füßen Zeit zur Erholung gönnen. Der Weg läuft uns ja nicht davon.

Strecke 25,8 km

Tag 86 (5) León – San Martín de Camino

Die Pause in León hat uns beiden gut getan. Die Arbeit meines Personal Doctors war super. Mein Blasen waren heute wie weggeblasen. Bei Roswitha selbst ist es noch nicht ganz soweit. Ein weiterer Tag Pause wäre sicherlich der Genesung förderlich gewesen. Das war jetzt meine Sicht.

Den gestrigen Tag nutzten wir zudem für den Kauf von weißem Nähgarn, das fast wichtigste Utensil zur Blasenbehandlung. Daneben gab es für uns neue Wandersocken und für mich neue leichte Wanderschuhe. Die alten blasenverursachenden wurden fachgerecht entsorgt. In León stehen in jeder Straße mehrere Müllbehälter.

Nach einem ausgiebigen Frühstückbuffet machen wir uns auf zum Sightseeing. Beim Schlendern durch die Altstadt treffen wir auf ein Paar aus der steirischen Gruppe. Auch sie machen einen Tag Pause. Die Stadt ist voller Menschen, Touristen und Einheimische und es ist laut, zu laut. Wir holen unseren Stempel und ziehen uns zurück ins ruhige Hotelzimmer.

Heute früh führt uns die Route nochmals an den Sehenswürdigkeiten der Stadt vorbei. Jetzt um hab neun ist es wesentlich angenehmer und ruhiger.

Lebendiger wird es auf den Straßen die aus León hinausführen. Entlang dieser Staßen verläuft auch unser Weg.

Nach 7 km haben wir uns zu entscheiden. Geradeaus, die Hauptroute, laut Beschreibung nicht besonders schön, vorwiegend entlang von Staßen aber mehreren Möglichkeiten zur Einkehr bzw. Übernachtung. Oder links die anscheinend landschaftlich schönere Variante. Wir entscheiden uns für die Hauptroute, denn auf der Variante gibt es keine Doppelzimmer und mehr Kilometer sind es zudem.

Zügig marschieren wir auf unserem Weg, entlang der Straße ohne große Pausen nach San Martín de Camino ein. Unsere Albuerge finden wir auf Anhieb. Es ist jetzt halb vier, viel zu früh! Abendessen gibt es erst um halb acht. Wir nutzen die Zeit fürs Wäsche waschen, Bericht schreiben und zur Erholung.

Strecke 25,8 km

Tag 87 (6) San Martín de Camino – Murias de Rechivaldo

Unsere gestrige Herberge war mal wieder eine von den weniger guten. Außer Stockbett im Massenschlafraum gab es vor Ort leider keine Alternative. Aus der Dusche kam das Wasser nur tröpfchenweise und die Heizung blieb kalt, genauso wie der Herbergswirt, dem wir unsere Beschwerden vortrugen. Wegen fehlendem Wasserdruck im Ort, gäbe es nicht mehr Wasser und die Heizung wäre eingeschaltet und in einer halben Stunde müsste es warm werden. Pustekuchen – der Heizkörper blieb kalt. Gefühlsmäßig war es im Zimmer kälter als im Freien. Dort waren es heute früh 9°. Aber irgendwie haben wir’s überlebt.

Ohne Frühstück starten wir gegen halb acht. Es geht wieder mehrere Kilometer entlang einer Straße. Doch dann biegen wir rechts ab auf einen Schotterweg und kommen bald in ein kleines Dorf. Auf der sonnigen Terasse einer Bar genießen wir unseren Kaffee und den Tosta Mista. Heute ist auf der Strecke ganz schön was los. Um nicht innerhalb einer Pilgertraube gehen zu müssen, ist des wichtig den richtigen Zeitpunkt für den Aufbruch zu erwischen. Das klappt nur bedingt, denn bald reihen sich drei spanische Frauen, die am Wegesrand ihr Gepäck sortieren, direkt hinter uns ein. Die drei unterhalten sich derart laut, dass man sie noch in 100 m Entfernung hört. Wir lassen sie vorbei und folgen in gebührendem Abstand.

Eine beeindruckende Brücke, die Puente del Paso Honroso überqueren wir in Hospital de Órbigo. Diese Kulisse findet für die jährlich dort stattfindenden mittelalterlichen Ritterspiele Verwendung. Nach ein paar Fotos geht es weiter. Jetzt wird es langsam bergig.

Wir bewegen uns auf rund 900 m bergauf bergab Richtung Astorga. Die Stadt mit ihrer imposanten Kathedrale und dem vom berühmten spanischen Architekten Goudi entworfenen Bischofspalast sehen wir schon von Weitem.

In der Stadt angekommen, es ist sehr warm, lassen wir uns auf einer Parkbank nieder für eine kurze Pause. Eine kleine Stärkung, ein paar Fotos und schon verlassen wir diese wuselige Stadt. Nach 4 km, mal wieder entlang einer Straße, erreichen wir unser heutiges Ziel.

Direkt neben unserer Pension befindet sich eine Bar. Dort treffen wir auf mehrere Pilger, die im Ort übernachten. Neben einem Spanier, einem Elsässer und einem jungen Mann aus dem Westerwald, sitzen und essen wir mit einem älteren deutschem Geschwisterpaar aus Deutschland bzw. Holland. Nachdem wir bis auf den Westerwälder, Erfahrungen von verschiedenen Jakobswegen mitbringen, hatten wir einen regen Gedankenaustausch. Man trifft sich sicherlich nochmal.

Strecke 27,9 km

Tag 88 (7) Murias de Rechivaldo – Rabanal de Camino

Wenn nur alle Herbergen so wären. Freundlicher Empfang, großes ruhiges und sauberes Zimmer und ein großes Bad mit einer Dusche aus der auch reichlich warmes Wasser kommt. Und heute morgen ein Frühstück mit hausgemachter Marmelade und Rühreiern. So sollte es immer sein.

Nach herzlicher Verabschiedung von unserer freundlichen Wirtin kommen wir gegen acht los. Beim Hinausgehen entdecken wir ein Bild mit einem hübschen Mädchen an der Wand hängen. Auf Roswithas Frage an die Hausherrin, ob es ihre Tochter sei, wird diese sehr ernst und erzählt uns, dass es die junge Pligerin aus USA sei, die vor fast genau 3 Jahren ganz in der Nähe ermordet wurde. Der Täter, der es auf ihre Wertsachen abgesehen hatte, wurde übrigens gefasst und vergangenes Jahr zu 23 Jahren Gefängnis verurteilt.

Mit etwas gemischten Gefühlen gehen wir die Strecke bis ins nächste Weiler mit dem Namen Ganso. Irgendwo hier muss die schreckliche Tat erfolgt sein.

Heute sind hier noch schneebedeckte Berge im Hintergrund zu erkennen. Wir selbst befinden uns bereits auf über 900 m Höhe. Der Weg führt uns weiter ansteigend nach Ganso. Immer wieder sehen wir in den kleinen Dörfern alte Kirchen mit Storchennestern.

Nach einer kurzen Servicepause, Besuch der Toilette, Einkauf von Brot und Jamon Serano als Wegzehrung und einer kleinen Reparatur an meinem Blasenpflaster kann es weitergehen. Ach ja, einen Tee und eine Cola zur Leistungssteigerung gab es noch dazu.

Und wieder geht es entlang einer Straße. Der Verkehr ist gering und stört nicht. Den Fahrradpilgern kommt so etwas sehr gelegen. Je näher wir Santiago de Compostella kommen, scheinen es immer mehr zu werden, die diese Art der Fortbewegung bevorzugen. Es gibt sogar welche mit E-Bikes 🤔.

Bereits um ein Uhr erreichen wir auf über 1200 m unser Etappenziel für heute. Aber wo ist denn unser Quartier? Kein einziger Hinweis im Ort, wir werden doch nicht in der falschen Stadt reserviert haben? Im Lebensmittelladen fragen wir einfach nach. Die freundliche Dame erklärt uns mit mitleidigen Blick, dass wir bereits zu weit gegangen sind. Was soll’s, eineinhalb Kilometer auf dem bereits zurückgelegten Weg rückwärts befindet sich unser quarto rural. Auf dem Weg dorthin gibt es noch eine Einkehr, denn unsere Quartierbeschreibung sagt nichts aus im Bezug auf Verpflegung. Und so ist es auch. Hier gibt es außer frischem Leitungswasser nichts zu essen oder zu trinken.

Hier noch der Blick von unserem Balkon unseres wirklich idyllisch gelegenen Nachtquartiers.

Am Eingangstor bewacht uns ein riesiger Hund. Es ist wohl ein spanischer, er macht gerade Siesta.

Strecke 17,3 km

Tag 89 (8) Rabanal de Camino – Molinaseca

Das Quartier war ok. Der Besitzer fuhr uns gestern sogar noch ins Dorf. Dort besorgten wir uns Käse und eine Flasche Rioja. Zurück auf dem Rural genossen wir in der Abendsonne auf dem Balkon unser Vesper. Und dazu ein Konzert der Frösche vom nahe gelegenen Teich.

Heute geht es etwas früher los. Vor uns liegen 400 m Aufstieg bis zum Cruz de Ferro. Zuerst geht es nochmals durch Rabanal und dann bis Foncebadon kurz unterhalb des höchsten Punktes der Camino Frances. Auf einer Sonnenterasse lassen wir uns das im Quartier ausgefallene Frühstück schmecken. Gestärkt geht es den für heute letzten größeren Anstieg zum Cruz de Ferro.

Roswitha legt hier an diesem mystischen Ort einen mitgebrachten Stein zu den anderen. Der Hügel ist übersät von solchen Steinen, seit Jahrhunderten legen Pilger legen hier symbolisch Seelenlast in Form eines Steines ab.

Nach ein paar Schritten überqueren wir die Passhöhe am Monte Irago. Vor uns liegen jetzt die Berge der Sierra Teleno.

Nach den endlosen Ebenen der Meseta ist dieser Ausblick eine Reha für unsere Augen. Jetzt geht es rund 1000 Höhenmeter talwärts. Der Weg ist oft steinig und steil, aber die Kulisse entschädigt überproportional. Mancher Pilger weicht auf die Straße aus, einer geht darauf sogar rückwärts, weil er vermutlich Probleme mit den Knien hat. Ein anderer versucht es per Laufschritt zwischen den Steinen und andere kämpfen sich Schritt für Schritt Richtung Tal. Roswitha und ich schaffen den Weg heute problemlos. Wir sind aber dennoch froh als wir El Acebo, eine kleines Bergdorf mit einigen Übernachtungs- und Einkehrmöglichkeiten erreichen. In einem Gastgarten lassen wir uns nieder. Ein kühles Bier und unser mitgebrachtes Vesper ergänzen sich ausgezeichnet.

Wir trauen unseren Augen nicht, als zwei leere Reisebusse, einer aus Spanien, der andere aus Österreich, sich durch die enge Gasse zwängen. Später sehen wir sie am Ende des Ortes auf einem großen Parkplatz, wo sie wohl auf ihre wandernden Reisegruppen warten.

Weiter talwärts fällt uns ein Baum mit einem riesigen Stammdurchmesser auf. Wir fragen uns, wie viele vorbeikommende Pilger der wohl schon gesehen hat.

Gegen drei Uhr sehen wir erstmals unser heutiges Etappenziel, Molinaseca.

Strecke 24,1 km