Tag 90 (9) Molinaseca – Cacabelos

Ein kurzer Nachtrag zur gestrigen Tour:

Nach mehr als 2500 km auf dem Jakobsweg, habe ich meiner lieben Frau, die mir jeden Tag die Wäsche wäscht, zum ersten Mal den Rucksack abgenommen.

War aber gar nicht so schwer. Hab ihn einfach dem Transportdienst zur Beförderung ins nächste Quartier übergeben. Und am Ziel angekommen, wartete er bereits sehnsüchtig auf uns im Hostel.

Heute geht es wieder weiter, mit den voll gepackten Rucksäcken. Zum ersten Mal ist das Wetter bewölkt, aber angenehm zum Wandern. Zuerst geht es rund 7 km bis Ponferrada mal wieder entlang der Straße. Landschaftlich ist es jedoch trotzdem sehr schön.

In einem Cafe bestätigt uns eine Holländerin unsere gestrige Vermutung. Die Reisegruppen, die mit dem Bus unterwegs waren, gehen ein Stück des Weges zu Fuß und werden dann wieder vom Bus aufgenommen. Sie selbst musste einen Teil des Abstieges zwischen den vielen Touristen gehen. Sie dachte schon daran, ihre Tour abzubrechen.

Als wir die Stadt verlassen, scheint auch wieder die Sonne. Auf asphaltierten Wegen geht es leicht bergauf ins nächste Dorf. Langsam wird es Zeit für eine Pause. In einer kleinen Bar treffen wir auf eine Vierergrupe Spanier. Seit einigen Tagen laufen wir uns immer wieder über den Weg. Heute setzen wir uns dazu. Auf Spanisch und Portugiesisch ergibt sich eine angeregte Unterhaltung. Das eine Paar schwärmt von den vielen deutschen Orten, die sie schon besucht hatten. Zum Tagesziel gehen wir jetzt gemeinsam.

Dank dieser originellen Hinweisschilder können wir es gar nicht verfehlen.

Die Weinberge links und rechts unseres Weges lassen Vorfreude auf den hiesigen Wein aufkommen. Wir sind im Bierzogebiet, einer Weingegend, die zumindest uns vorher nicht bekannt war.

Im Moment sitzen wir vor unserem Quartier und genießen ihn. Es schmeckt wirklich gut.

Strecke 22,8 km

Tag 91 (10) Cacabelos – Ambasmestas

Könnt ihr euch vorstellen, dass wir übersehen werden? Ich kann es mir auch nicht vorstellen, dann war es wohl pure Absicht: Gestern Abend sitzen wir gemütlich vor dem Restaurant zum Abendessen. Eigentlich wollten wir ja nach 17 Uhr nichts mehr essen, aber es sah alles so lecker aus. Am Nachbartisch sitzt ein Pilger-Paar aus Kanada, am anderen ein älteres einheimisches Paar. Der Juniorwirt geht mit kleinen kostenlosen Tappas, Häppchen mit Chourizo, und serviert diese den Kanadiern und den Spaniern – uns nicht. Ok, kann ja mal passieren. Ein paar Minuten später das selbe Spiel, jedoch gibt es dieses Mal frische kleine Pizzastücke, aber nicht für uns. Und als wir dann zu unserem Essen, bei dem eigentlich die Getränke dazugehören, den Juniorwirt um einen weiteren Schluck Rotwein bitten, gießt er uns auch nach. Soweit wieder halbwegs ok, doch als wir beim Bezahlen den 2. Schluck Rotwein auf der Rechnung finden, sind wir jetzt aber beleidigt. Dafür muss er leider auf das Trinkgeld verzichten und das für heute früh bestelle Frühstück sagen wir auch ab. Ätschi bätsch 😂.

Das Zimmer war eigentlich überdurchschnittlich gut, geschlafen haben wir allerdings beide nicht besonders. Es war wohl das Abendessen weit nach 18 Uhr. Dafür starten wir recht früh und laufen gleich auf die gestrige spanische Vierergruppe auf. Der Blick zurück zeigt, dass das Wetter langsam umschlägt. Ab und zu bekommen wir einen Tropfen ab, aber es hält sich dann doch. Die erste Pause machen wir mit unseren Spaniern. Danach lassen wir sie aber ziehen, denn eine Unterhaltung auf Spanisch im Gehen ist uns dann doch zu anstrengend.

Die heutige Route führt normalerweise über höhere Berge, doch wir schließen uns der Mehrheit an und marschieren entlang der Straße ohne großartige Steigungen. Mittagessen fällt heute aus. Zu zweit erreichen wir noch vor 15 Uhr eine interessante Herberge. Sie heißt Casa del Pescadore. Die Überraschung ist groß: die Wirtin begrüßt uns mit einem köstlichen selbstgemachten Saft und auf Deutsch.

Es gibt frischen Apfelkuchen und frisch gebrühten Tee. Zum Bier gibt es Schmalzbrot und eine frisch geräucherte Forelle ließe sich auch bestellen. Das schöne Gefühl willkommen zu sein ist wieder da.

 

 

Strecke 22,9

Tag 92 (11) Ambasmestas – O Biduedo

Heute machen wir es mal kurz und lassen ein paar Bilder sprechen.

6

Roswitha hat sich heute auf der seit unserem Einstieg in Carrion längsten Strecke mal wieder eine Blase geholt. Keine Sorge, sie ist längst versorgt. Schlimmer hat es mich gestern Abend erwischt. Halsschmerzen, triefende Nase und in der Nacht kam noch Fieber hinzu, zumindest wachte ich klatschnass auf und musste mein Bettzeug und die Klamotten wechseln. Ich hatte schon befürchtet, dass wir heute pausieren müssten.

Aber heute früh war das Fieber weg und wir gingen los mit der Absicht soweit zu gehen, wie es ohne Probleme geht. Dass wir dabei von rund 600 m auf über 1300 m und gleich über drei Passhöhen gehen, hätte ich heut früh nicht zu träumen gewagt.

Kurz pausierten wir in La Faba, vor der schwäbischen Pilgerherberge. Sie wird betreut von einem Verein aus Stuttgart. Die Skulptur vor der Herberge wurde geschaffen von der Herzogin Diane von Württemberg aus Altshausen.

Mittlerweile liegen mehr als 30 km hinter uns, wir befinden uns wieder auf knapp 1200 m Seehöhe. Übrigens die Autorin unseres Rother Wanderführes meint, dass wir mit der Überquerung der letzten Passhöhe das Schwierigste auf dem Weg nach Santiago hinter uns hätten. Schaun wir mal.

Strecke 31,2 km

Tag 93 (12) O Biduedo – Sarria

Heute wollte es draußen überhaupt nicht hell werden. Es ist nebelig und gerade mal 1° über Null. Nach einem Kaffee geht es kurz nach acht los und tatsächlich, aus dem Nebel fällt Schnee. Der Spuk ist bald wieder vorbei und es klärt langsam auf. Unsere Strecke führt uns erst einmal ins Tal, rund 6 km in das rund 500 m tiefer gelegene Triacastela. Im Casa David machen wir unsere Frühstückspause. Laut Führer soll es nun immer leicht bergauf und bergab ins 20 km entfernte Saria gegen.

Ein Glück, dass es zum Frühstück neben Marmelade auch Käse und Jamon gab. Denn gleich geht es über Erd- und Schotterwege 250 Höhenmeter steil bergauf nach San Xil. Trotz Temeraturen wenig über dem Gefrierpunkt, kommen wir da ganz schön ins Schwitzen. Hier in Galizien fällt auf, dass das Spanische „J“ und „G“ immer wieder durch ein „X“ ersetzt wird aber ebenso wie im Spanischen als „sch“ gesprochen wird.

Jetzt geht es doch ein paar Kilometer bergauf und bergab auf einer Asphaltstraße, die dann aber nach einer Kuppe steil bergab führt. Das brennt ganz schön in den Oberschenkeln. Zwei Pilger auf Mountainbikes, die es hier auch für einen Tag zu mieten gibt, lassen es so richtig krachen. Ob das wohl gut geht, denn immer wieder gibt es Schlaglöcher in der Fahrbahn. Es ist gut gegangen. Zumindest haben wir keine gestürzten Radler am Straßenrand gefunden.

Unten angekommen, wir trauen unseren Augen nicht, steigen 5 „Pilger“ aus einem Van. Die haben sich doch tatsächlich von Triacastela hierher fahren lassen, um dann wohl am Ziel zu prahlen „War doch heute gar nicht so anstrengend …“.

Ok, die schwierige Hälfte haben sie sich gespart, denn die restlichen 10 km geht es fast immer bergab, teils durch kleinere Ortschaften aber auch schön zu gehende Wald- und Feldwege.

Auf dieser Teilstrecke regnet es heute immer wieder, so dass heute zum ersten Mal unsere Regenponchos zum Einsatz nehmen kommen.

Trotz vieler Pilger die hier in Sarria für die letzten 100 km nach Santiago ihren Camino beginnen und trotz vieler ausgebuchter Quartiere (lt. Booking.com) war unsere Zimmersuche erfolgreich. Schönes, warmes Privatzimmer

Strecke 27,2 km

Tag 94 (13) Sarria – Portomarin

Bei Regen starten wir in den neuen Tag. Unweit unseres Privatquartiers finden wir eine Lavanderia, eine Do-it-yourself-Wäscherei. Das passt. Nach einer Stunde packen wir unser frisch gewaschenen und getrocknten Sachen in den Rucksack und weiter geht es. Zwischenzeitlich hat es auch aufgehört zu regnen.

Wir reihen uns wieder ein in den Tross Richtung Santiago. Das Wetter ist immer noch durchwachsen und ziemlich kalt. Dem Italiener, der gerade über die Brücke hinter Saria geht, scheint das aber nicht zu störend. Laut singend nimmt er seinen Weg in Angriff.

Immer wieder bestaunen wir die riesigen Bäume am Wegesrand. Sie sollen laut Führer bis zu 500 Jahre alt sein. Wenn die erzählen könnten😓.

S

Ab hier sind es noch 100 km zu unserem Zwischenziel. Und kurz darauf sehen wir eine größere Menschenansammlung. Mein erster Gedanke, eine Beerdigung. Nein, es ist eine Reisegruppe, die gerade eben das bereitgestellte Büffet leergeräumt hat, ein Test Nudelsalat ist noch zu erkennen.

Die Gruppe reiht sich hinter uns ein. Kaum auszuhalten ist das laute Gequatsche und Gelächter, das von den vielen Touristen ausgeht. Wir fliehen in eine Kneipe und lassen die Horde vorbei. Nach einem Cerveza con Limao sind wir für den Abstieg nach Portmarin gerüstet.

Dort angekommen, bestätigt sich unsere Befürchtung. Portmarin ist komplett ausgebucht. Was nun? Das ist uns 93 Mal nicht passiert. Kein Quartier!

Letzte Rettung: Über Booking.com finden wir eine Bleibe 10 km abseits des Weges. Ein Taxi bringt uns dorthin. Dort angekommen, welche Überraschung – Silvia, eine Holläderin, der wir schon mehrmals begegnet sind, ist auch da.

Strecke 27,0 km

Tag 95 (14) Palas de Rei – Melide

Gerne nehmen wir heute früh das Angebot des Hausbesitzers an, uns zurück zum Camino zu fahren. Bald sind wir in Palas de Rei, wo wir heute den ersten Kaffee zu uns nehmen. In diesem Ort ist schon reger Tourismusbetrieb, die anderen, die Pilger erkennt man an schweren Rucksäcken und entsprechendem Schuhwerk. Von denen sehen wir nur sehr wenige.

Wir haben keine andere Chance, also rein ins Getümmel. Hier noch ein Selfie und dort eine Menschentraube. Ist etwas passiert? Nein, es gibt einen zusätzlichen Stempel ins Credencial, dem Pilgerpass. Anscheinend brauchen die 100-km-Pilger mindestens 2 Stempel pro Etappe um in Satiago die Compostela zu bekommen.

Durch Hohlwege, enge Örtchen und dann wieder auf Nebenstraßen geht es Richtung Tagesziel. Und dann mischen sich noch Sportler, die wohl einen 1. Mai-Lauf absolvieren in die Menschenmenge. Permanent wird gerufen, vermutlich Achtung, oder geh auf die Seite. Zumindest haben wir so die Spanischen Rufe gedeutet. Und in einem steilen, abschüssigen Hohlweg kommt von hinten ein irrer Mountainbikefahrer, ruft, bremst und schießt zwischen den sich bergabkämpfenden Leuten hindurch.

Wenn wir nicht so kurz vor Santiago wären, wäre der Punkt gekommen zu sagen, jetzt reicht es. Und dann sind da noch die rund 2800 km, die schon hinter uns liegen. Also machen wir weiter, wie gestern, am Abend ein Quartier nehmen, abseits der Strecke.

In Melide testen wir den berühmten galizischen Oktopus. Ist sehr zu empfehlen, schmeckt sehr gut. Nach einem Kaffee und einem Stückchen Kuchen informieren wir unsere Quartiergeber, dass wir abholbereit sind. 10 Minuten später steigen wir am Praza Major in sein Auto. Unsere heutige Bleibe ist super, ein altes restauriertes Bauernhaus in einer paradiesischen Umgebung. Diesen Ausgleich für den heutigen Hindernislauf haben wir uns einfach verdient.

Strecke 21,7 km

Tag 96 (15) Arzùa – Vilamaior

Gestern lernten wir Isabel kennen. Sie ist unterwegs mit einer Gruppe Portugiesen. Erkennbar an der portugiesischen Flagge, am Rucksack befestigt. Isabel spricht perfekt Deutsch, sie verkauft in Porto und Lissabon Hymer Wohnmobile. Zufall? Auf jeden Fall tauschten wir Telefonnummern aus.

Los geht’s heute in der Früh kurz nach acht Uhr. Kaffee lehnen wir dankend ab. Er sieht aus, als wäre er schon ein paar Mal aufgewärmt worden. Die Übernachtung war ok. Na ja, bei der Sauberkeit muss man meistens beide Augen zudrücken.

Ungefähr zwanzig Kilometer gehen wir mit sehr vielen Pilgern gemeinsam. Die Vegetation wir schon mediteraner. Santiago ist nicht mehr weit.

Jetzt erreichen wir Pedruzo. Ein Großteil der Leute, mit denen wir heute bis hierher gegangen sind, übernachten hier. Wir selbst machen eine kurze Pause in einem Cafe, wollen aber weiter, so nah wie möglich an Santiago ran. Hier merken wir, wie uns ein Paar – nicht Spanisch aussehend – beobachtet. Irgendwie unangenehm. Das kommt uns doch etwas „spanisch“ vor!!! Also bezahlen und los auf den Camino. Es geht viele, viele Kilometer durch Eukalyptuswälder und: wir sind auf einmal ganz allein. Kein anderer Pilger weit und breit. Ein komische Gefühl begleitet uns, mich mehr, Wolfgang weniger. Der Schritt wird schneller, obwohl es manchmal ganz schön bergauf geht. Wir wären beruhigter, wenn wir, wie die Tage zuvor im „Tross“ unterwegs sein könnten. So schnell ändert mann/frau die Meinung – Frau mehr, Mann weniger.

Gegen 17 Uhr erreichen wir Vilamaior. Santiago liegt in greifbarer Nähe. Wir wollen morgen zeitig los, damit wir mit dem – hoffentlich – Sonnenaufgang Santiago de Compostela erreichen. Dann liegen um die 400 km hinter uns, die wir in 16 Tagen bewältigt haben.

Strecke 29,8 km

Tag 97 (16) Vilamaior – Santiago de Compostela – Miladoiro

Ist es Zufall oder ist es Schicksal? Auf dem Camino gibt es beides. Auf unseren bisherigen 2600 km haben wir schon viel erlebt, aber was am heutigen Tag geschah, ist wohl beides zugleich.

Auch der Camino portugues, auf dem wir seit Santiago gehen, ist sehr frequentiert. Die Quartiere sind auch hier ziemlich ausgebucht, so finden wir wieder einmal ein Quartier abseits des Weges. Im sonnigen Gastgarten versuche ich gerade den heutigen Tag in Worte zu fassen, da kommen zwei Damen dazu. Ich frage sie auf Englisch , ob sie auch auf dem Camino sind. „Yes, we are“. Sie fragen zurück “ Where do you come from?“ „Germany“ ist meine Antwort. “ Dann können wir uns auch auf Deutsch unterhalten“. Wir wechseln ein paar Worte und es stellt sich heraus, dass Sie aus Ravensburg kommen. Ich sag noch, das wir lange in Schmalegg wohnten. Die blonde Dame schaut mich an und sagt “ Herr Zidorn“. Ich bin baff. Es ist unsere langjährige Nachbarin Ellen Kriks. Ihre Freundin ist Hanna Fitschen. Roswitha kommt jetzt auch dazu, auch ihr fehlen die Worte, aber sie erkennt beide auf Anhieb.

Seit vielen Jahren haben wir uns nicht mehr gesehen und jetzt treffen wir uns hier in Miladoiro. Mit einem Glas Wein stoßen wir auf diesen wunderbaren Zufall an. Es gibt vieles zu erzählen.

Jetzt aber von vorne:

Wir starten recht früh in Vilamaior. Gegenüber den Vortagen geht es auf dem Weg recht ruhig zu. Schon von Weitem, vom Monte do Gozo, erkennt man die Kathedrale von Santiago. Dann die Stadtgrenze, es kommen langsam Emotionen hoch, viele Stationen des Weges gehen einem durch den Kopf und ein gewisser Stolz auf das Geleistete kommt auf, das Zwischenziel ist erreicht.

Jetzt noch ein paar Kilometer durch die Stadt, dann stehen wir vor der Kathedrale.

Für die allermeisten endet hier der Weg, doch unserer geht weiter. Vorher verweilen wir noch etwas in der Kirche und gehen dann ins Pilgeroffice um die Compostela abzuholen. Doch daraus wird heute nichts. Mindestens 200 Leute warten schon und nach eine halbe Stunde später stehen wir immer noch an der selben Stelle. Wenn es so weitergeht, sind wir vielleicht in 2-3 Stunden dran. So lange wollen wir nicht warten, denn wir haben heute noch etwas vor. Wir verabschieden uns noch von Sylvia, unserer Holländerin, die ziemlich weit vorne in der Schlange steht und verlassen das Pilgerbüro. Die Urkunde bekommen wir sicherlich auch dann, wenn wir das nächste Mal mit dem Auto hierher kommen. Schon vorher hatten wir besprochen, den Weg nochmals abzufahren, und die zu kurz gekommenen Höhepunkte richtig zu genießen.

Noch vor Mittag brechen wir auf Richtung Süden, auf dem Caminho Portugues. Nach der Stadtgrenze, auf den Wanderwegen angekommen, fragt uns so manch verdutzter Pilger ob jetzt er oder wir in die falsche Richtung gehen. Meist lösen wir das Missverständnis mit einem kurzen „O Porto“ auf, was dann in der Langform heißen soll „Wir gehen in Richtung Porto“. Rund zwei Stunden später erreichen wir unser Tagesziel Miladoiro, die letzten Kilometer mit Handynavigation, denn wie eingangs erklärt, liegt unser heutiges Quartier abseits des markierten Weges.

Strecke 17,8 km

Tag 98 (17) Miladoiro – Caldas de Reis

Roswitha hat mal wider eine schmerzvolle Nacht hinter sich. Kaum ist die eine Blase verheilt, schon tut sich eine neue auf. Und die gestrige war besonders groß. Obwohl mit erprobter Technik versorgt, scheint es diesmal nicht so schnell zu heilen. Die ganze Verse ist gerötet und heiß. Ob das wohl heute gut geht?

Gemeinsam mit Ellen und Hanna sitzen wir am reich gedeckten Frühstückstisch. So langsam realisieren wir es, dass wir gestern nicht geträumt hatten. Nach einer guten halben Stunde und kurzer herzlicher Verabschiedung geht es weiter, die beiden Ravensburgerinnen nach Norden, wir nach Süden. Der vor uns liegende Weg ist recht lang. Nachdem sich die Quartiersituation immer noch nicht beruhigt hat, bestellten wir gestern wieder vor. In der Hoffnung, dass Roswitha problemlos gehen kann, wählten wir ein Quartier in Caldas de Reis. Die Alternative wäre gewesen in Patron zu buchen, aber das liegt nur 16 km nach Miladoiro. Diese Strecke war uns einfach zu kurz.

Wir gehen dennoch recht flott unseren heutigen Weg an immer entgegen dem Pilgerstrom und stellen fest, dass wir mit dem erreichten Zwischenziel im Rücken, mittlerweile leicht und locker unterwegs sind. Doch nach rund 10 km, dem ersten Drittel unseres heutigen Planes, wurden die Schmerzen an der Ferse größer. In einem Cafe machen wir Pause, Roswitha wechselt die Trackingschuhe gegen Wandersandalen aus. Der Erfolg hält sich in Grenzen und bald müssen wir erkennen dass wir heute zum allerersten Mal für einen Teil der Strecke auf den Bus angewiesen sind. Der besteigen wir am späteren Nachmittag nach 17 km Fußmarsch in Patron. In knapp 20 min erreichen wir unser Ziel. Das Quartier liegt unweit der Bushaltestelĺe. Unser Abendessen besorgen wir uns im Supermarkt und gegessen wird heute im Zimmer. Mal sehen ob wir morgen eine Pause einlegen müssen.

Strecke 32,0 km (davon 17 km zu Fuß, Rest mit dem Bus)

Tag 99 (18) Caldas de Reis – Pontevedra

Ich bin stolz auf meine Frau. Sie hat gekämpft und durchgehalten. Super!

Wolkenloser Himmel und ca. 12 Grad. Soviel zur Wettersituation heute früh in Caldas de Reis. Ein Ort mit Potential. Es gibt Thermalquellen und auch Bäder. Aber all diese Einrichtungen, Hotels und im Prinzip die ganze Stadt erscheint uns ziemlich heruntergekommen. Überall Schmutz und lauter Verkehrslärm.

Wir gehen gerne, zum Einen wegen der idealen Wanderverhältnisse und zum Anderen, weil es hier nicht schön ist.

Roswitha versucht es trotz lädierter Ferse mit den Trekkingschuhen. Nach 5 km wechselt sie wieder auf die Wandersandalen. Zum Glück scheint heute die Sonne und die Wege sind nicht morastig. Auf Schotter- und Asphalt, so geht es durch kleine Ortschafte und Weinfelder. Das geht auch mit Sandalen.

Auf halber Strecke, zugleich der höchste Punkt für heute, finden wir ein Buswartehäuschen mit Sitzbank. Ideal für eine Pause. Eine Banane, ein Apfel und ein Stück Schokolade, das ist heute unser Mittagessen. Cafes und tiendas (Gemischtwarenläden) gibt es auf dem Caminho Portugues recht wenige, anders als auf dem Camino Francais. Auf diesen erten 12 km kein einziger. Für die nächste Etappe wissen wir’s.

Die zweite Hälfte unseres Weges führt uns fast durchweg bergab durch einen ausgedehnten Wald. Zug- und Straßenverkehr ist permanent zu hören. Nicht laut, es stört kaum. Aber auch heute kommen uns viele Leute entgegen. Darunter sind auch größeren Gruppen. Ihrem Gepäck und ihrem Auftreten nach zu urteilen, handelt es sich vermutlich um spanische Wochenendwanderer. Und immer wieder der Hinweis, nach Santiago geht es in die andere Richtung.

Pontevedra ist schon von Weitem zu sehen. Aber es zieht sich und zieht sich. Die letzten drei Kilometer geht’s durch Ortschaften und manchmal entlang der Haupstraße ohne Randstreifen. Manchmal wird es ganz schön eng. Doch dann geht es über den Rio Lérez direkt in die Altstadt. Ein Restaurant wirbt mit Paulaner Weißbier. Das ist die Belohnung für den heutigen Tag. Zudem gibt es ein spezielles Samstagsmenü. War auch gut. Gestärkt gehen wir durch die Gassen der Altstadt, machen noch einige Besorgungen und beziehen schließlich gegen fünf unser Quartier am Stadrand Richtung Portugal.

Jetzt ein Fußbad und dann Schonung für Roswitha, ich kämpf mit dem Blog.

Strecke 23,9 km ( ab jetzt wieder zu Fuß)